Meinungsfreiheit

Was darf man sagen und was nicht?

Kiel, 8. Juli 2024

Liebe Nora,

ich habe gerade dein Radiointerview gehört und hänge irgendwie an deiner Aussage fest, dass du so systemkonform aufgewachsen bist, dass du die besten Möglichkeiten hattest, um in der DDR Karriere zu machen. War das wirklich so? Hast du nichts in Frage gestellt? Kanntest du niemanden, der das tat und dafür behelligt wurde? Hast du dich nie unfrei gefühlt, weil du nicht dahin reisen konntest, wohin du wolltest?
Ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen, ich kenne dich ja nur von heute und du sagst ja selbst, dass du ein Widerspruchsgeist bist, der (fast) immer sagt, was er denkt. Was hast du damals gedacht? Das interessiert mich total.

Gestern saß ich mit Kollegen in einer kleinen Runde und irgendwie kam das Gespräch auf Meinungsfreiheit. Wir haben lange darüber diskutiert, was man sagen darf und was nicht. Und wo  man es sagen darf und wo nicht.  Über Russland, die Ukraine, den Krieg … Gaza. Das war eine wirklich intensive und gute Diskussion.
Im Nachgang denke ich mir jetzt, dass ich es mir manchmal zu einfach mache – wenn man sich nämlich wirklich darauf einlässt, die andere Position einzunehmen (in dem Fall die der Ukraine) sieht manches plötzlich anders aus. Einer meiner Kollegen ist gebürtiger Pole und schilderte, wie er es erlebt hat „unter den Russen“ zu leben. Da wurde mir klar, dass ich so etwas nie erlebt habe.

Du schon, oder? Bei euch waren die Russen doch auch sehr präsent. Wie war das für dich?  Wie sah es in dir aus?

Ich selbst ärgere mich gerade darüber, dass ich mir Gedanken darüber mache, was ich sagen „darf“ und was nicht. Eine Kollegin gestern war beispielsweise vehement dafür, eine Ausweispflicht im Internet einzuführen, weil sie absolut nicht damit einverstanden ist , dass dort jeder alles schreiben darf. Ein anderer sagte immerhin, es sei ein schwieriges Feld; ABER vielleicht sei es tatsächlich besser (und notwendig) in einem Land, in dem die AfD auf dreißig Prozent kommt.  Tja, warum kommen die wohl auf dreißig Prozent? Und was sollten die noch anders machen als das, was jetzt auch ohne ihr Zutun schon stattfindet – (Ärzte und Richter) anzeigen, ausspähen, inhaftieren (Ballweg, jetzt diesen impfunwilligen Bundeswehsoldaten).
Ich frage mich, wie ich mit solchen Meinungen umgehen soll? Es sind meine Kollegen, wir arbeiten zusammen, ich kann ihnen doch nicht permanent entgegentreten.
Allerdings will ich morgens in den Spiegel sehen und nicht nur hinter vorgehaltener Hand offen reden können. Das beschäftigt mich sehr. Und dass es mich beschäftigt, ärgert mich.
Ich bin so hin- und hergerissen. Einerseits denke ich, haben die Menschen ein Recht auf ihre Sicht. Genau wie ich auf meine. Anderseits weiß ich, dass die nicht lesen und hören, was ich Tag für Tag (in den Alternativmedien) lese und höre.

Kürzlich sagte mir eine Freundin, man müsse andere Meinungen auch aushalten können. Stimmt! Aber manchmal ist es echt viel verlangt. Dann muss ich mich rausziehen. Und am Ende…? Lebe ich mein Leben, so wie ich es leben muss und die leben ihres und wenn wir uns begegnen können, ist das vielleicht okay. Wenn wir es können. Ausweispflicht im Internet – ich schüttle den Kopf. Was kommt da auf uns zu?
Wenn es doch einfach nur einfach wäre …

Ich bin gespannt auf deine Antwort und freue mich, mich mit dir so offen darüber austauschen zu können.
Sei lieb gegrüßt,

Matthias.

Was für ein Druck auf Joshua Kimmich

Wie hätte ich mich als junge Sportlerin verhalten?

Pinnow, 4. Juli 2024

Liebe Emma,

mit einem Brief an dich tauche ich wieder auf aus meiner Briefwechselpause.
Ich habe gerade die ZDF-Dokumentation über Joshua Kimmich gesehen – die hat mich so bewegt, so berührt, tut sie noch immer. Ich glaube, da schlägt mein altes, naja, mittelaltes Sportlerherz wieder durch.
Tatsächlich ist es ja ziemlich eingeschlafen. Früher habe ich keine Sportveranstaltung im Fernsehen verpasst, kannte alle Fußballer, Leichtathleten, TT-Spieler … Und heute? Ich war mal Sportjournalistin. Darüber lacht sich mein Schwiegersohn in spe schlapp, der kann sich das überhaupt nicht vorstellen, weil ich einfach niemanden mehr kenne. Okay, Thomas Müller,  Manuel Neuer, die alten Recken schon , und Kimmich eben – den allerding vor allem durch seinen Heldenmut in der CoronaZeit. Was der hat aushalten müssen. Seit damals bin ich übrigens auch Fan von Tennisspieler Novak Djokovic, der mir eigentlich viel zu verbissen und ehrgeizig ist, jedenfalls wirkt er so, aber krass, der hat einfach (haha) widerstanden. Wenn der heute auf den Platz geht, bin ich sofort für ihn. Findet mein Schwiegersohn blöd. Neulich kommentierte er: „Also ich bin für jemanden wegen seiner Leistung und nicht wegen seines Impfstatus´.“ Das habe ich abperlen lassen. Ich bin für Djokovic. Und insgeheim hoffe ich, dass auch Kimmich widerständig geblieben ist und einen Deal hat machen können, der ihn nach außen als geimpft ausweist.

Weißt du, was ich mich immer frage: Wie hätte ich mich als junge Sportlerin verhalten? Überleg mal, wer zu Olympia wollte, musste geimpft sein. Gab es da Schlupflöcher?
Sport, Hockey war mein Leben. Wirklich, Hockey bedeute alles für mich. Wenn mir da so ein mRNA-Stein in den Weg gelegt worden wäre. Also mir, mit meiner Denke von heute. Denn damals, ich glaube, ich hätte das alles gar nicht hinterfragt. Ich hätte mir die Spritze geholt. Mein Nachdenken über solche Dinge kam erst mit meinen Kindern. Und meine Kinder kamen erst nach meiner Karriere.

Hatte ich dir erzählt, dass es in der Hockeyregionalliga einen Verein gab, der mitten in der laufenden Saison seine Mannschaft zurückziehen musste, weil zu wenig Spielerinnen nicht geimpft waren und damit das 2G-Reglement nicht erfüllten. Aber das war noch nicht alles – daraufhin wurden der Verein mit einer Strafe belangt, weil die Mannschaft im laufenden Spielbetrieb ausgestiegen ist (aussteigen musste) und das natürlich neue Spielansetzungen und den ganzen bürokratischen Rattenschwanz nach sich zog. Rate mal, woher die Mannschaft kam 😊! Ich habe ihnen geschrieben und ihnen ein Exemplar des Briefwechsels geschickt, als Sympathiebekundung. Man, man, man …

Wie war das eigentlich mit deinem triathletenden Sohn? War der unter Druck? Er ist ja geimpft, oder? Freiwillig?

Das wollte jetzt alles raus liebe Emma.
Wie geht es dir? Du warst ja auch in Kontemplation – bist du schon wieder gesellschaftsfähig?

Ich sende dir ganz liebe Grüße,
Nora.

 

Lest hier Noras letzten Brief an Emma.